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IDOCs » [deu] D_Trace: 2.research weekend 29.4..- 1.5.2015
Dokumentation der Arbeitsinhalte und Ergebnisse des zweiten research-Treffens von D-Trace: Methodik, Inhalte, Reflexionen und Erkenntnisse
2016.07.28

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Zusammenfassung 2. D_Trace research Treffen 29.4.- 1.5.2016

 

Herausgegeben von:

D_Trace DiversDance_TrainingResearchApplicationCompilationEducation

(Elisabeth Löffler, maRia Probst, Christian Apschner, Cornelia Scheuer, AT)

 

Einleitung:

D_Trace ist ein im Rahmen von MAD - Verein zur Förderung von mixed-abled Dance and Performance – unterstütztes Projekt. Ziel des Projektes ist es u.a. erforderliche Rahmenbedingungen und optimale Methoden für ein high-level mixed-ability Tanztraining basierend auf Contact Improvisation zu untersuchen, auszuarbeiten und  in weiterer Folge Trainingsleitenden zur Unterstützung ihrer Arbeit zur Verfügung zu stellen.

 

TeilnehmerInnen:

D_Trace-Kerngruppe: Cornelia Scheurer (MAD), Elisabeth Löffler (lizart), maRia Probst (rollingpoint), Christian Apschner (rollingpoint)

Eingeladene TeilnehmerInnen: Georg Mache, Vera Rebl, Dayana Hristova, Katharina Zabransky, Carmen Kraus, Lau Lukkarila (Finland)

Das 2. D_Trace Research Treffen stellt die Fortsetzung und Vertiefung des ersten research Treffens vom 27.- 29.11.2015 dar. Diesmal trafen sich vier Rollerinnen und sieben GeherInnen um in einem fokussierten Rahmen spezifische Fragestellungen rund um ein Contact Improvisations Training für fortgeschrittene TänzerInnen im mixed abled Bereich zu vertiefen und zu erweitern und die Ergebnisse zu dokumentieren.

Der Eröffnungsabend begann mit einer persönlichen Rückschau der TeilnehmerInnen des ersten Treffens. Als eine der Leitfragen des 2. research Treffens wurde die Frage, welche Elemente eine professionelle Fortbildung für Contact Improvisation im mixed- abled Kontext enthalten sollte, formuliert. Dazu wurden im Laufe des Wochenendes auf einem Plakat Vorschläge für Fortbildungsinhalte gesammelt.

Nach einem halbstündigen von Conny geleiteten warm-up leitete Elisabeth eine Einheit, die sich ausschließlich mit dem „Gehen“ beschäftigte. Aufgabe dabei war es, sich in spezifische Gangbilder anderer hineinzuversetzen und diese zu kopieren. In einem anschließenden Contact Improvisation setting wurde ein einfacher „sharing and shifting weight score“ verwendet um herauszufinden, wie sich der Wechsel der Wahrnehmungsfoki von der visuellen Wahrnehmung auf die haptische Wahrnehmung (mit geschlossenen Augen) auf die Verlässlichkeit der Informationen in Bezug auf Aufrichtungs-Fragen auswirkt.

Der zweite Tag begann mit einem von Christian angeleiteten physischen warm-up, worauf eine von Conny geleitete Einheit folgte, in der es um das Kopieren von spezifischem aber improvisiertem Bewegungsmaterial der einzelnen TeilnehmerInnen im Rahmen eines Gruppen-Scores ging. Erwartungsgemäß war das eingebrachte Bewegungsmaterial aufgrund der diversen Körperrealitäten der TeilnehmerInnen höchst unterschiedlich. Die anschließende Reflexionsrunde war reich an Erkenntnissen. Es tauchten Fragen wie, was nun Kopieren bedeutet, wenn der Körper aufgrund physischer Realitäten nicht in der Lage ist spezifische Bewegungen nachzumachen, auf. Je ferner das vorgegebene Bewegungsmaterial von der eigenen Körperrealität ist, desto mehr wird Kopieren zum Interpretieren. Beim Fokus auf das Detail rückt das Gesamte in den Hintergrund, beim Fokus auf das Gesamte gehen Details verloren etc.

maRia leitete in der Folge eine Forschungsreise durch die aus dem BMC (Body Mind Centering) stammenden Developmental Movement Patterns. Wir stellten uns die Frage, ob eine somatische Annäherung an grundlegende menschliche Bewegungsmuster, auch wenn sie nur  rudimentär ausgeführt werden können, ergiebiger ist, als der Versuch eine beliebige Koordination zu erlernen. Die Erfahrungen waren divers. Es spricht jedoch viel dafür, diese Recherche weiter zu betreiben, nachdem zumindest einige von uns ein durchaus bahnbrechendes Erlebnis von ganzkörperlicher Verbundenheit hatten und  eine Bereitschaft für große Sprünge (im übertragenen und konkreten Sinne) aktiviert wurde.

Am Nachmittag des zweiten Tages wurden Settings vertieft, die bereits am ersten research-Wochenende verwendet wurden. Im warm-up Teil wurde in Trios gearbeitet. Zwei Personen unterstützten jeweils eine dritte Person mittels hands-on-Arbeit in ihrem individuellen warm-up Prozess. Um diese Übung für RollstuhlfahrerInnen leichter zugänglich zu machen wurde z.T. mit Unterstützung von Massagetischen gearbeitet. Im darauffolgenden Contact Improvisations Setting im Trio wurde der Fokus auf die Frage von Ebenenwechsel gelegt. Der Ebenenwechsel und die Körperaufrichtung im weight-sharing Modus stellt im Allgemeinen nicht nur für TänzerInnen mit körperlichen Einschränkungen eine große Herausforderung dar. Es wurde daher vorgeschlagen Ebenenwechsel und Aufrichtung immer feiner abzustufen und auf Nuancen zu verfeinern um die Tonusveränderungen im Körper noch besser wahrnehmen zu können.

Der dritte Tag begann mit der Fortsetzung der von maRia geleiteten Forschungsreise durch die Developmental Movement Patterns aus dem BMC.  Anschließend wurde erneut in Contact Improvisations-Trios gearbeitet. Aufgabe war es aus der Improvisation eine wiederholbare Bewegungssequenz im Trio herauszuarbeiten und einem anderen Trio vorzustellen. Dieses zweite Trio hatte wiederum die Aufgabe diese Bewegungssequenz des ersten Trios aufgrund der visuellen Wahrnehmung und mit Unterstützung des ersten Trios nachzumachen und so weit wie möglich zu kopieren
Video 1: https://www.youtube.com/watch?v=rvEeGoZgg1w&feature=youtu.be 

Video 2: https://www.youtube.com/watch?v=0tQLq8FrRWs&feature=youtu.be

 

Video 3: https://www.youtube.com/watch?v=gnJHqJMcTSI&feature=youtu.be

 

Video 4: https://www.youtube.com/watch?v=AHXSJqNkLLA&feature=youtu.be

Video 5:https://www.youtube.com/watch?v=JHjE6YOizKM&feature=youtu.be

 


Zum Abschluss wurden alle erarbeiteten Bewegungssequenzen sowie deren Kopien nochmals für alle im Raum präsentiert. Dieses performativ anmutende Handlungsumfeld wurde von allen TeilnehmerInnen als äußerst spannend und unterhaltsam wahrgenommen, da es unterschiedliche Körperrealitäten in ihrem Lernprozess gut sichtbar machte und wertfrei gegenüberstellte.

Im folgenden Teil wurden die „Schattenaspekte“ unserer Recherche in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. JedeR TeilnehmerIn hinterfragte dieses Thema in einer Nachdenkphase für sich selbst, wobei die Ergebnisse schriftlich auf einem gemeinsamen Plakat gesammelt wurden. Dieses war der Ausgangspunkt einer längeren "open score" Gruppenimprovisation. Das Benennen von Tabus hatte mitunter ein befreiendes Ausagieren des Verdrängten zur Folge. Es ließ das Teilnehmen und Zusehen über weite Strecken zu einem Genuss werden. Feinabstimmung und ein breite Wahrnehmungs- und Aktionsfähigkeit rückten in den Hintergrund.

Das research-Wochenende endete mit einer längeren Reflexions- und Diskussionsrunde.

Lau stellte in diesem Rahmen die Entstehung und Situation der mixed-abled Community in Finnland vor. „Kaaos emerging“ ist ein finnisches Mentor Programm im Rahmen öffentlicher College-Schulen für „Mixed abled dance education". Ex dance ist ein Tanzfestival mit Podiumsdiskussionen über Ziele einer Mixed Abled Education, ein „Meet Chair Festival“ in Helsinki findet statt.

Im Anschluss sind einige wichtige Erkenntnisse zusammengefasst, die sich aus den Zwischenreflexionen und der Abschlussdiskussion des 2.research Treffens sowie einer Nachbetrachtung im Rahmen der D_Trace Kerngruppe als bedeutsam herauskristallisierten:

  • Der mögliche Einsatz von Hilfsmittel für das Tanztraining bei körperlichen Einschränkungen sollte untersucht werden. Z.B.: Welche Hilfsmittel könnten das Erlernen und Trainieren von „Developmental Movement Patterns“ erleichtern (abgesehen von persönlicher hands-on Unterstützung)? Braucht es zusätzliche fundierte persönliche Assistenz in der Trainingssituation?
  • Fortgeschrittenes mixed-abled Tanztraining kann und soll sinnvollerweise auch ein „Techniktraining“ sein. Das Erlernen von Technik ist für die Erweiterung der Bewegungsmöglichkeiten ein zentraler Kern. Trainingsleitende sind gefordert ihr ganzes Wissen und Erfahrungen dazu zur Verfügung stellen. Je nach Zusammensetzung der Trainingsgruppe muss der Trainingsansatz jederzeit flexibel adapiert werden. Herkömmliche Trainingsansätze und Patentrezepte sind zum Scheitern verurteilt - je mehr Wissen und Erfahrungen der TrainingsleiterInnen, desto erfolgversprechender.
  • Da am 2.research-Wochenende durch das Kopieren von Bewegungen die visuelle Wahrnehmung in den Vordergrund gerückt ist, hatten die Improvisationen einen stark performativen Charakter. Somit beanwortete sich die Frage nach künstlerischen Aspekten eines mixed-abled Trainings von selbst. Denkende und lernende Körper zu sehen hat immer auch einen performativen Aspekt. TänzerInnen, deren Körper von der Idealnorm professioneller TänzerInnen abweichen haben in konventionellen zeitgenössischen Tanzklassen oft "keinen Platz" oder große Probleme, für Normkörper kreierte Bewegungen und Bewegungssequenzen nachzumachen. Das Bewegungslernen „nicht normativer Tanzkörper“ ist dem gegenüber ein „aus dem Kontext nehmen“ (Ausstellen) und „in einen neuen Kontext stellen“ und trifft somit den Kern aller zeitgenössischen performativen Künste.
  • Die haptische Wahrnehmung ist in der Contact Improvisation tendenziell verlässlicher als die visuelle Wahrnehmung. Aus der visuellen Wahrnehmung der Körperorganisation körperlich eingeschränkter Körper entstehen noch leichter falsche Vorannahmen (z.B. „Ich kann kein Gewicht abgeben“). Im reinen Spürmodus rücken diese Vorannahmen in den Hintergrund und lassen einen tieferen Kontakt der TanzpartnerInnen zu. Die visuelle Wahrnehmung gänzlich auszublenden wäre aber falsch, vor allem wenn es um die Sicherheit im Umgang mit Rollstühlen geht.
  • Schattenaspekte sind ein wichtiger Aspekt, der nicht ausgeblendet werden darf. Der bewusste Umgang mit Schattenaspekten bietet ein großes künstlerisches Potential, das nutzbar gemacht werden kann.
  • Es ist aus Sicht des mixed-abled Kontextes wünschenswert und zu fordern, dass offene Tanzklassen tatsächlich als offene Tanzklassen gestaltet werden. Aus der Erfahrung heraus wird die Teilnahme an offenen Tanzklassen oft als ein „Toleriertwerden“ angesehen. Diversität sollte aber als eine Bereicherung offener Tanzklassen angesehen werden. Eine eindeutige Deklarierung von Tanzklassen wäre wichtig. Sowohl Inklusion wie auch Spezialisierung innerhalb von Tanzklassen haben ihren Sinn, sollten aber klar bezeichnet werden um Mißverständnisse und Enttäuschungen zu minimieren.
  • Fortgeschrittenes Contact Improvisations Training im mixed abled Bereich ist ein über den Wohlfühlbereich hinausgehender herausfordernder, anstrengender und lohnender Prozess der persönliche Grenzen erweitert. Dabei gilt es sich den mitlaufenden psychologischen Prozessen zu stellen. Sie sind eine der wichtigsten Quellen und Motivationen des künstlerischen Schaffens (im Gegensatz zur Tanztherapie in der der Tanz der Therapie dient).
  • Feedbackschleifen im mixed-abled Unterricht: Die grundlegende feedback-Schleife „sensing-feeling-action“ in somatischen Lernprozessen wie Body-Mind-Centering wäre im fortgeschrittenen Training und für Trainingsleitende wie folgt zu erweitern: „sensing-feeling-thinking-anticipating-(rethinking)-action“.
    Die feedback-Schleifen sind darüber hinaus vielfach miteinander verwoben und laufen auf verschiedenen Ebenen (persönlich AA, TrainingleiterIn-TeilnehmerInnen A(B-Z), ganze Gruppe (A-Z)(A-Z) und erfordern ein hohes Antzipationsvermögen und empathische Fähigkeiten (kognitive Empathie=Mitdenken + körperliche Empathie=Mitfühlen)

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